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Fairreisen

Kribi - Wenn man zu Besuch in einem fremden Land ist, dann schlüpft man in eine Rolle, die sehr schön sein kann. Man geht neue Wege und lernt dazu. Man versucht, Dinge zu verstehen und nachzuvollziehen, hat interessante Begegnungen mit gastfreundlichen Menschen und einer beeindruckenden Umgebung. Diese Rolle birgt aber auch Aufgaben und eine gewisse Verantwortung, die nicht immer einfach zu meistern sind. Im Februar und März habe ich für dreieinhalb Wochen Besuch aus dem kalten Deutschland von meinem Freund Yannic bekommen. Ich durfte mir während des gesamten Zeitraumes freinehmen und so konnten wir zusammen verreisen und schöne Ausflüge machen. Dadurch habe ich mein gewohntes Umfeld in Douala immer mal wieder verlassen und Kamerun auch als Touristin ein wenig bewusster erlebt und viel über den Einfluss von Tourismus auf die Umgebung und die Leute vor Ort nachgedacht. Ausschlaggebend dafür war ein Vorfall, der sich relativ zu Beginn unseres Urlaubs ereignet hat. Yannic und ich sind für ein paar Tage nach Kribi, einer kleinen Fischerstadt an der Atlantikküste, gefahren, wo wir in einem schönen Hotel, das direkt am Strand gelegen ist, wohnten. Wir waren gerade angekommen und mit den Füßen ein bisschen im Wasser, als uns ein Mann ansprach. Er sagte er sei Fischer und er und seine Kollegen hätten vor ungefähr einer halben Stunde eine Meeresschildkröte, die sich als Beifang im Netz verfangen hatte, mit an Land gebracht. Er wollte uns mit zu der ungefähr 400 Meter entfernten Stelle nehmen um uns das Tier zu zeigen, da Europäer sich für seltene Tierarten ja häufig interessierten und wir sollten Kameras mitnehmen. Wir waren uns bei der ganzen Angelegenheit sehr unsicher. Zwar konnte man das bunte Treiben der Fischer und der Marktfrauen, die den Fang gleich abkauften, von unserem Hotel aus sehen. Wir wurden jedoch im Vorwege eindringlich vor Dieben an Kribi’s Stränden gewarnt und der Fischer musste den Weg schon sehr schnell zurückgelegt haben, wenn er uns von seinen Kollegen aus in unserem Hotel gesehen haben will. Obwohl uns das alles nicht wirklich geheuer war, siegte die Neugierde dann trotzdem und schließlich ließen wir alle Wertsachen einschließlich Geld im Hotel und folgten ihm am Strand entlang - auch, weil wir uns nicht von Vorurteilen und Ängsten gefangen nehmen lassen wollten. Wir haben uns dabei ganz gut unterhalten und ich fragte ihn, ob die Leute hier Meeresschildkröten essen würden. Man stellt immer wieder fest, dass es hier unüblich ist, sich weitgehend auf Rinder, Schweine, Geflügel und Fische zu beschränken, wie viele Leute es in meiner Heimat tun. Mein Kollege Pascal isst stattdessen auch gerne Katzen, Hunde, Schlangen und riesige Ratten, die hauptsächlich auf Plantagen leben. Der Fischer sagte, dass die Schildkröten früher durchaus gegessen wurden. Heute käme das wesentlich seltener vor, da Meeresschildkröten eine bedrohte Tierart seien und die Regierung es gesetzlich verboten habe, diese zu töten. Als wir bei den Fischerbooten ankamen, holte der Mann die Schildkröte und sie machte sich direkt auf den Weg in Richtung Wasser. Sie war wunderschön, hatte große, klare Augen und zwei Seepocken auf dem Panzer, war aber noch recht klein - der Panzer hatte erst einen Durchmesser von vielleicht 30 Zentimetern. Immer, wenn sie kurz vorm Wasser angekommen war, nahm er sie jedoch wieder ein paar Meter zurück. Er meinte, wir müssten ihn und seine Kollegen dazu „motivieren“, dass sie sie wieder ins Wasser lassen und nicht doch essen. Da haben Yannic und ich das Ziel der ganzen Aktion und unser allgegenwärtiges komisches Bauchgefühl verstanden, denn „motivieren“ ist in Kamerun in diesem Kontext ein anderes Wort für „bezahlen“. Was sollten wir jetzt tun, was wäre das Richtige? Wenn wir sie freikauften, würde sie leben. Aber welche Auswirkungen würde das haben? Würden die Fischer vielleicht kriminelle Handlungen in Kauf nehmen und beginnen, gezielt Meeresschildkröten zu jagen, da sie mit diesem Trick mehr Geld verdienen und für sich und ihre Familien einen besseren Lebensstandard erzielen könnten als mit der Fischerei? Wer würde die Marktfrauen beliefern, die vom Fischverkauf leben, und so ihr Auskommen sichern? Bei wie vielen naiven Touristen vor uns mag sich diese Masche schon bewährt haben oder wird sich in der Zukunft noch bewähren? Ich sagte ihm schließlich, dass wir nicht zahlen würden. Wenn er und seine Kollegen etwas Illegales tun möchten und das mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, dann sei das ihre Entscheidung. Wir werden ihnen diese Entscheidung jedoch nicht abnehmen. Ob wir das Richtige getan haben, weiß ich nicht und ich fühlte mich schlecht danach. Aber ich weiß, es hätte sich falscher angefühlt, dafür zu zahlen.

Mount Cameroon - In der Woche danach haben wir mit ein paar anderen Freiwilligen, deren Besuch aus Deutschland und den Jungs von der Sarah Etonge Foundation, die die Touren organisiert, den Mount Cameroon bestiegen. Mit den Erlösen, die die Sarah Etonge Foundation mit diesen Touren erwirtschaftet, wird Sozialarbeit mit minderjährigen Häftlingen und Frauen im Gefängnis von Buea finanziert, um die Inhaftierten dabei zu unterstützen, den Weg aus der Kriminalität zu finden. Die Tour war wieder unfassbar anstrengend, doch so unglaublich vielseitig und abwechslungsreich, dass sie mir nachher, wie auch schon im Dezember, viel kürzer vorkam, als sie tatsächlich war. Im Gegensatz zum letzten Mal, als ich mit meiner Mitbewohnerin Maria und unserer Nachbarin Christiane unterwegs war, sind wir dieses Mal eine andere, längere Route für den Abstieg gewandert. Allein als wir noch über der Baumgrenze waren, passierten wir beim Abstieg eine Wüste aus schwarzem Lavagestein, aktive Vulkankrater und riesige kalte Lavaströme. Am dritten Tag kamen wir durch Dschungelabschnitte, in denen Elefanten, Schimpansen und Antilopen freileben und haben viele Spuren gesehen, Schimpansengruppen kämpfen gehört, Antilopen an einem Kratersee trinken und große, schwarz-rot-blaue Vögel von Ast zu Ast hüpfen gesehen. Dieser Wald war so wunderschön, unberührt und ursprünglich – manchmal konnte ich gar nicht fassen, dass solche Orte wirklich existieren und dass ich das gerade wirklich erleben darf. Es gab ganz viele unterschiedliche Geräusche und Düfte, oft roch es nach Minze, Leder oder Blumen und manchmal auch recht würzig, wenn wir an frischeren Hinterlassenschaften eines oder mehrerer Elefanten vorbei liefen. Wir wanderten später am selben Tag in der Region um das Dorf Debundscha, was sehr ungemütlich und aufreibend war. Debundscha ist der nasseste Ort Afrikas und damit auch einer der nassesten Orte der Welt. So waren dementsprechend auch wir, wie alles um uns herum, klatschnass. Der Waldboden war schmierig und die glitschigen Baumwurzeln erwiesen sich bei stetigem Gefälle nicht selten als Rutschfalle und die Lianen gaben oft lieber nach als einem Halt zu geben, wenn man verzweifelt danach griff. Durch die Nässe und durch die allgegenwärtigen Waldameisen, die sich so gern in der Haut festbeißen, schwand unsere Euphorie in der zweiten Tageshälfte mit jedem Schritt. Doch als wir endlich nass, stinkend und sogar noch bei Tageslicht im Camp ankamen, hatte der Regen schon lange nachgelassen und irgendwie schien die Zufriedenheit über das Erlebte und darüber, dass wir alle es ohne ernsthafte Verletzungen geschafft haben, den höchsten Berg Westafrikas zu besteigen, zu überwiegen. Am darauf folgenden Morgen hatten wir nur noch einen kurzen und einfachen Weg als letzte Etappe vor uns. Es dauerte nicht lange, als sich der Dschungel um uns lichtete und immer mehr kleinere oder größere Bananen-, Palmöl- oder Maniocplantagen den Weg säumten. Wir jubelten, als wir den ersten Menschen sahen, der nicht zu unserer Gruppe gehörte und nur kurze Zeit später erreichten wir unser Ziel: Den schönen Strand zwischen Limbe und Idenau. Wir waren so glücklich und stolz und die Stimmung war so hervorragend, dass wir uns auch vom Regen nicht abhalten ließen, ins Meer zu springen - nass waren wir ja sowieso.

Zum Thema "Fair reisen mit Herz und Verstand" engagiert sich auch Brot für die Welt: Wer sich dazu informieren möchte, kann das auf dieser Website tun! Hier sind noch ein paar Bilder von einer Tour nach Marienberg, einem kleinen Dorf außerhalb von Edéa, in dem wir eine Auffangstation für verwaiste Schimpansen besuchten. Es kommt leider immer wieder vor, dass etwa Wilderer die Mütter der Jungen erlegen. Wenn die kleinen Schimpansen Glück haben und durch Zufall von zum Beispiel Bauern oder Jägern gefunden werden, bringen diese die Tiere zu Auffangstationen wie dieser. Die jungen Schimpansen leben tagsüber frei im Wald, der die Auffangstation umgibt. Nachts ist es draußen, vor allem durch Wilderer, jedoch zu gefährlich, weshalb sie in Hütten auf dem Gelände, das direkt am Fluss Sanaga liegt, übernachten. Ab einem Alter von etwa 12 Jahren werden die Tiere auf einer Insel im Sanaga ausgewildert. Hier leben sie frei, geschützt und weitgehend ohne Kontakt zu Menschen, wodurch sie sich schnell entwöhnen und wie ganz normale Schimpansen leben. Die Gruppe der Erwachsenen Schimpansen hat sogar schon eigene Jungtiere, die auf der Insel gezeugt wurden. Dieser Besuch war für mich ganz besonders beeindruckend, denn es wurde einem bewusst wie ähnlich Menschen und Schimpansen sich nicht nur bezüglich der Mimik und Gestik, sondern auch im Verhalten sind!


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