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Auf jedes Tief folgt ein Hoch

Heute vor sieben Wochen ist unsere Air France Maschine in Douala gelandet und trotz der anfänglichen Euphorie entwickelten sie sich zu keinen einfachen sieben Wochen. Der Schimmel an meiner Wand und auch im Wohnzimmer nahm Anfang September ein Ausmaß an, das ich so nur aus frühzeitlichen Frischkäsepackungen, die ich im Kühlschrank zu vergessen pflegte, kannte. Die Folge daraus war, dass meine Mitbewohnerin Maria und ich davon krank wurden und für zwei Wochen aus der Wohnung mussten, da diese renoviert wurde. Die Schwierigkeiten und Probleme haben sich summiert und irgendwie schien diese Pechsträhne nicht abreißen zu wollen. Sei es die überschwemmte Wohnung, der Schimmel, der nach der Renovierung schon wieder, wenn auch ein bisschen schwächer, zurück gekommen ist, Wasserausfall, das erste Mal Malaria oder die vielen vielen Ameisen – irgendwann stand ich an einem Punkt, an dem ich nur noch sah, was gerade blöd ist und die vielen schönen Erlebnisse und Kenntnisse, die ich hier schon sammeln konnte nicht mehr wahrnahm. Ich wollte das alles nicht mehr und stattdessen wie alle anderen zu Hause in Deutschland Lebkuchen essen, mir den herbstlichen Ostseewind um die Ohren wehen lassen und meine Wäsche mit der Maschine waschen, und nicht mehr von Hand. Am vergangenen Donnerstag reichte es mir und ich wollte etwas ändern. Ich setzte mich hin und schrieb sowohl alles Schlechte als auch die schönen Dinge auf. Es war unglaublich erleichternd zu sehen, wie sehr die Guten überwogen und seitdem geht es wieder aufwärts. Da sich glaube ich niemand gerne Gemaule anhört möchte ich jetzt die schönen Dinge mit euch teilen und die schlechten hinter mir lassen. Am ersten Septemberwochenende sind Maria und ich sehr spontan mit meinem Kollegen Pascal nach Kribi, einer kleinen Fischerstadt, die ungefähr zwei Autostunden südlich von Douala direkt am Atlantik liegt, gefahren. Auf der Fahrt im Dunkeln konnte ich zum ersten Mal die schwarzen Umrisse des Dschungels, der sich links und rechts von der Straße erstreckte, erahnen und irgendwann lag der tiefschwarze Atlantik vor uns, an dessen Horizont eine Bohrinsel hell erstrahlte. Wir haben Kokosnüsse direkt vom Baum gegessen und das Kokoswasser mit einem Strohhalm noch aus der Nuss herausgeschlürft. Wir haben richtig lecker kamerunisch gekocht (viel Erdnuss und sehr scharf!) und waren zum ersten Mal im kamerunischen Club feiern, was ein Erlebnis für sich war. Wenige Minuten nachdem wir mit dem Moped-Taxi im Partyviertel der Stadt ankamen, war in der ganzen Straße Stromausfall. Mit einem Mal war es stockdunkel, keine Leuchtreklame hat mehr geblinkt und keine Musik war mehr zu hören. Das hielt aber nur kurz an, denn jeder Club und jede Bar scheint ihren eigenen Notstromaggregaten zu haben und dann ging es weiter. Auch wenn ich Douala gerne mag, war die Ruhe und die frische Meeresluft eine schöne Abwechslung zur wuseligen und ewig lauten Großstadt. Wir verbrachten in Kribi ein sehr schönes Wochenende mit viel Bier, leckerem Essen und tollen Leuten. Der Atlantik war sehr warm und die Brandung so stark, dass sie einem den Boden unter den Füßen wegspülte, ich wollte gar nicht mehr an Land. Zu der Zeit hatte ich hüftlange Rastas, die musste ich Sonntagabend nach unserer Rückkehr nach Douala aber rausmachen, da die nicht mehr trockneten.

Am elften September fing der neue Basiskurs bei DUCA, dem Projekt bei dem ich arbeite, an. 14 Jugendliche bekommen für drei Monate Unterricht in Informatik, Kochen und Haushaltsführung, es gibt aber auch Kurse über die persönliche Entwicklung, Entwicklung und Erziehung von Kindern, dem Zusammenleben in einer Partnerschaft, oder eine Einheit, in der jede Woche über ein anderes Oberthema diskutiert wird. Ich habe die Jugendlichen teilweise schon vor Beginn des Basiskurses in Bewerbungsgesprächen kennengelernt. Damals waren viele davon noch sehr ruhig. Umso schöner ist es zu sehen, wie die meisten aufblühen, sich einbringen und Ideen und Ziele entwickeln. DUCA hat noch ein zweites Ausbildungszentrum in Souza, einem Dorf vor den Toren der Stadt. Die Basisausbildung der Jugendlichen dauert dort nicht wie in Douala drei Monate, sondern insgesamt sechs. In den ersten drei Monaten werden hier die gleichen Bereiche thematisiert wie in Douala, in der zweiten Hälfte werden die Jugendlichen zusätzlich an die Grundlagen der ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft und der Geflügelzucht herangeführt. Das Zentrum hat hierfür ein großes Areal mit einem Hühnerstall und vielen verschiedenen Plantagen auf denen Ananas, Bananen, Mandarinen, Papayas, Tomaten und etliche andere Früchte wachsen. Überall duftet es, Siedleragamen toben durch das hohe Gras und man hat einen sehr weiten Blick auf die unberührte Landschaft, die das Dorf umgibt.

Bei der Arbeit habe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen viel Spaß und der Alltag ist bis auf die kleinen Probleme, die wir immer wieder mit unserer Wohnung haben, eigentlich schön. Der Große Marché Deido, auf dem man wahrscheinlich alles kaufen kann, ist zu Fuß nur wenige Minuten von unserer Wohnung entfernt. Auf dem Markt gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Obst und Gemüse dem man anmerkt, dass es direkt an der Pflanze reifen durfte und nicht in einem Container auf dem Weg nach Europa. Die Kinder spielen auf der Straße, aus irgendeiner Ecke kommt immer Musik und das Wetter wird von Tag zu Tag besser. Wir haben sehr offene, freundliche und lebensfrohe Nachbarn, die immer für einen kleinen Plausch zu haben sind und bei denen ich mir sicher bin, dass sie immer ein Auge auf uns haben und sich sorgen, wenn wir mal nicht da sind, was irgendwie schön zu wissen ist. Ich bin froh, meinen Blick dafür wiedergefunden zu haben. Denn auch, wenn ich jetzt weiß, was ich an Deutschland eigentlich sehr wertschätze, so werde ich mir langsam auch der Dinge bewusst, die ich in Deutschland so nicht hätte.


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